Neukölln

Neukölln

Kalter blauer Rauch bahnt sich seinen Weg durch meine Nase. Mir gefällt, wie er vor meinen Augen sichtbar aus den Nasenlöchern strömt. Das, was mich umgibt, ist viel kälter, so freut es mich, ihn in meinem Körper zu fühlen, wie er sich seinen Weg durch mich hindurch bahnt. Dieser kleine Weg von der einen hell beleuchteten Strasse zur anderen wird gern von mir gegangen; ein kurzer Moment der Ruhe. Kaum Strassenlaternen und wenn dann schwach beleuchtet, die Parkplätze dicht besucht, vereinzelt ein Auto, was an mir vorbeifährt, langsam, suchend. Ich versuche ganz im Moment zu sein, oder suche auch ich etwas?

Eine kleine Pause. Raum und Zeit für mich. Ich frage mich jetzt nicht, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Mein Leben in die richtige Richtung lenke. Was ist schon richtig und was falsch. Ich möchte mich nicht allein fühlen und tue es doch. Ich verschwimme mit dem Pastellgrau der Pflastersteine, dem blaugrauen Rauch meiner Zigarette, dem nebeligem Grau, welcher sich langsam, wie ein in Zeitlupe fliessender Bach durch die Strassen dieser grossen Stadt zieht. Mein Mantel ist aus schwarzen und weissen Fäden genäht, wirkt also grau. In mir fühlt es sich auch grau an, eher so gold-leuchtend-grau, wie, wenn die Sonne einige ihrer Strahlen durch die Wolkendecke schiebt. Ich mag es. Ich nehme einen tiefen Schluck von meinem Bier, das genauso kalt ist wie die Aussentemperatur, die mit ihrer Feuchtigkeit schon längst in mich eingedrungen ist. Ein Grund, warum ich so gern nachts durch Berlin laufe, ist die Stille. Wer die richtigen Nebenstrassen kennt, kann für einige Minuten in den Genuss völliger Einsamkeit kommen. Ich habe das Gefühl, ich bin die Stadt. Was will sie mir mitteilen? Gern laufe ich durch Stadtteile, welche sehr alt sind und versuche mir das Leben vorzustellen, wie es vor hundert und mehr Jahren hier gewesen sein könnte. Ich atme die kalte, klare Luft ganz tief ein. Mein Hund läuft neben mir und erzeugt seine mir wohlbekannten «Tappsegeräusche». Ein leuchtendes knallrot auf dem Weg angelt meine Aufmerksamkeit. Eine einzelne Blume, die mit ihrer vollkommenen Schönheit auf dem Bürgersteig liegt. In diesem Meer von Grautönen wirkt diese Nelke wie eine Ausserirdische. Sie lässt mich an das am heutigen Abend geführte Gespräch erinnern.

Wir sitzen in einer leeren Kneipe und führen ein Gespräch über die Menschen, die sich selbst ablenken, und durch ihr Leben hasten. Das Gespräch wird im Rahmen von Handbewegungen geführt, die nach kleinen, durchsichtigen, Plastik Schächtelchen greifen, die gefüllt sind mit den schönsten getrockneten Pflanzenteilen. Es ist ein Kombinationsspiel von Farben und Formen, mit ihnen kreieren wir immer neue Bilder. In einem kleinen, wohltemperierten Raum, orange Wände, beleuchtet mit Kerzen, Wein und Leckereien, eine klassische Neuköllner Bar, die Musik erfreut, «The Doors» zur Abwechslung mal etwas Altes, nett!

Ihr Blick durchbohrt mich während unserer Unterhaltung. Ihre Augen leuchten orangefarben. Morgen werde ich sie wieder besuchen und pataphysische Wichtigkeiten erfinden.

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(un)sichtbar am Mittelmeer